Krankengymnastik bei einem eingeklemmten Nerv

Eine ruckartige Bewegung und plötzlich, ganz unerwartet und stark treten brennende und stechende Schmerzen auf. Diese werden durch Bewegung verstärkt und strahlen ggf. aus, wie z.B. der Ischiasnerv, der teilweise bis in die Hüfte oder die Beine ausstrahlt. Die Symptome sind so eindeutig, dass der Arzt schnell zu folgendem Schluss kommt: ein eingeklemmter Nerv bereitet die Probleme. Die Diagnose ist zunächst ein Überbegriff für verschiedene Problematiken. Ihnen ist gemeinsam, dass eine oder mehrere Nervenfasern in ihrer Reizweiterleitung und Funktionsfähigkeit eingeschränkt sind. Dies geschieht allerdings nicht durch Einklemmung des Nervens, sondern durch einen entzündlichen Vorgang. Die Ursachen dafür sind vielfältig und reichen von Muskelverhärtungen über langjährige Fehlhaltungen zu Verschleißvorgängen. Anhand einer genauen Anamnese und den Symptomen entscheidet der Arzt, ob bildgebende Verfahren notwendig sind, um ernsthafte Ursachen wie Bandscheibenvorfälle, Knochenbrüche oder Tumore auszuschließen. Grundsätzlich kann ein eingeklemmter Nerv an allen Körperstellen auftreten, aber meistens betrifft es den Rücken oder Nacken.

Inhalte der Krankengymnastik

Bei einem eingeklemmten Nerv sind Bewegung, Lockerungsübungen und Muskelentspannung die Mittel der Wahl. Allerdings müssen Bewegungen, die bei dem Betroffenen die Schmerzen auslösen oder gar verstärken, unbedingt vermieden werden. Andernfalls wird der angegriffene Nerv noch weiter geschädigt. Auch müssen starke Belastungen, wie z.B. schweres Heben und Tragen vorrübergehend vermieden werden. Wie Betroffene sich rückengerecht verhalten können, erlernen sie innerhalb der Krankengymnastik in einer Rückenschule. Neben der Wissensvermittlung und dem Einüben von neuen Verhaltensweisen, sollen die Bauch- und Rückenmuskeln trainiert werden. Denn eine starke Muskulatur beugt einem eingeklemmten Nerv vor.  Die Schmerzen sollen durch die Krankengymnastik reduziert werden und die vorherige Beweglichkeit und damit einhergehend das Wohlbefinden wiederhergestellt werden. Das ist aber nur möglich, wenn der Patient seine schmerzbedingte Schonhaltung aufgibt. Andernfalls verkrampft sich auf Dauer die umliegende Muskulatur und führt zu weiteren Problemen. Deshalb werden in der Krankengymnastik jene Muskelgruppen trainiert, die den eingeklemmten Nerv und die entsprechende Muskulatur entlasten.

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Übungen HWS

Bei einem eingeklemmten Nerv in der Halswirbelsäule können auch weitere Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Tinnitus oder Übelkeit auftreten. Folgende Übungen reduzieren die Schmerzen und fördern die Beweglichkeit. 

Übung 1: Der Patient liegt in Rückenlage auf einer Matte. Die Beine sind aufgestellt, die Hände liegen in U-Haltung neben dem Kopf. Der Kopf ist mit einem Pilates Ball oder einem schmalen Kissen unterlagert. Der Patient macht ein Doppelkinn, zieht das Kinn leicht in Richtung Brust und drückt seinen Kopf in den Ball/das Kissen. Gleichzeitig schiebt er das Brustbein nach oben und drückt die Schultern nach unten. Position 5 Sekunden halten, danach lösen. 5 Wiederholungen durchführen.

Übung 2: Der Patient sitzt aufrecht auf einem Stuhl. Das Kinn wird nach hinten geschoben, sodass ein Doppelkinn entsteht. Nun den Hinterkopf nach oben strecken, sodass sich die Halswirbelsäule aufrichtet. Das Brustbein nach oben schieben, die Schultern nach unten drücken. Die Position ca. 10 Sekunden halten, dann langsam lösen. Ruckartige Bewegungen vermeiden. 3 x wiederholen.

Übungen 3: Um Muskelverhärtungen zu lösen, helfen Lockerungsübungen. Dazu zählt beispielsweise das Schulterkreisen (gleichsinnig, gegensinnig, abwechseln oder beide gleichzeitig). Dadurch verbessert sich die Durchblutung der Schulter- und Nackenmuskulatur.

Übung 4: Betroffene sollten ihre Halsmuskulatur dehnen. Das gelingt, indem beispielsweise das linke Ohr auf die linke Schulter gelegt wird. Position 5 Sekunden halten, dann auf der anderen Seite wiederholen. Zudem können Betroffene leichte Rotations- (=Nein-Bewegung) und Neigungsbewegungen (=Ja-Bewegung) des Kopfes durchführen.

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Übungen BWS

Das Hauptziel bei einem eingeklemmten Nerv in der Brustwirbelsäule besteht  darin, die angespannte Muskulatur zu lockern und die Brustwirbelsäule aufzurichten. Aber auch ein Training der Bauchmuskeln darf nicht vernachlässigt werden:

Übung 1:  Der Betroffene stellt sich so dicht an eine Wand, dass er mit seinem Rücken die Wand berührt. Nun nimmt er einen Tennis- oder Igelball und positioniert ihn so, dass er neben der Wirbelsäule auf der schmerzenden Stelle liegt. Mit seinem Rücken klemmt er den Ball zwischen seinem Rücken und der Wand ein und beginnt nun seinen Körper leicht auf und ab oder auch kreisend zu bewegen. Somit wird die entsprechende Stelle massiert und die Muskulatur gelockert.

Übung 2: Der Betroffene rollt ein großes Handtuch oder eine Decke zu einer langen Rolle zusammen. Auf diese legt er sich in Rückenlage, sodass die Decke direkt unter seiner Wirbelsäule liegt. Die Füße werden hüftbreit aufgestellt und die Arme in U-Haltung seitlich neben dem Kopf abgelegt. Dehnung ca. 5 Minuten halten.

Übung 3: Der Betroffene legt sich in Bauchlage auf eine Matte. Die Beine werden durchgestreckt und die Zehen aufgestellt. Nun wird der Kopf leicht von der Unterlage abgehoben, der Blick fällt nach unten in Richtung Matte. Die Arme werden in U-Haltung ebenso vom Boden abgehoben, die Daumen zeigen nach oben. Wichtig: den Bauch anspannen, damit die Lendenwirbelsäule nicht in ein Hohlkreuz gerät. Die Position 10 Sekunden halten. 3 Mal wiederholen. Steigerung: Die Arme zeitgleich auf und ab bewegen (=Hackbewegungen).

Übung 4:  Der Betroffene setzt sich aufrecht auf einen Pezziball. Die Arme befinden sich rechtwinkelig in U-Haltung neben dem Kopf. Die Handflächen zeigen nach vorne. Nun werden die Handflächen aufeinander zu bewegt, bis sie sich berühren. Danach die Arme wieder auseinanderführen. Dabei das Brustbein weit nach oben schieben, die Schultern nach unten drücken und den Bauch anspannen. 15 Wiederholungen. Grundsätzlich sind Übungen auf dem Pezziball bei einem eingeklemmten Nerven vorteilhaft: die Mobilität der Wirbelsäule wird verbessert, die Bandscheiben stärker durchblutet und die verspannte Muskulatur gedehnt.

 

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Übungen LWS

Da die Lendenwirbelsäule sich in einer Hohlkreuzstellung befindet, treten hier starke mechanische Belastungen vor. Umso wichtiger ist es, die Muskulatur der Lendenwirbelsäule zu lockern und anschließend zu kräftigen.

Übung 1:  Der Betroffene stellt sich ungefähr hüftbreit hin, die Zehen zeigen nach vorne. Die Knie sind leicht gebeugt. Die Hände werden seitlich auf die Beckenkämme gestützt. Nun wird das Becken möglichst in einer flüssigen Bewegung nach vorne und nach hinten gekippt. Dabei den Bauch anspannen und die Brustwirbelsäule aufrichten. Am Anfang ist es hilfreich, die Übung vor einem Spiegel durchzuführen.

Übung 2:  Der Betroffene legt sich in Rückenlage auf eine Matte. Die Beine werden hüftbreit aufgestellt. Die Arme können seitlich des Körpers abgelegt werden. Nun soll das Gesäß von der Unterlage abgehoben werden, bis Oberschenkel und Rumpf eine gerade Linie bilden. Die Position soll 30 Sekunden gehalten werden. Alternativ kann das Gesäß auch sofort bis kurz vor der Unterlage abgesenkt und anschließend wieder angehoben werden. 10 Wiederholungen durchführen.  

Übung 3: Der Patient legt sich in Rückenlage auf eine Matte. Unter seine Lendenwirbelsäule legt er einen halb aufgeblasenen Ball oder ein Handtuch. Die Aufgabe besteht dann darin, die Lendenwirbelsäule fest nach unten in den Ball/das Handtuch zu drücken. Der Bauchnabel wird in Richtung Wirbelsäule gezogen. Die Position ca. 10 Sekunden beibehalten, dann langsam lösen. Steigerung: den Ball/das Handtuch entfernen und die Lendenwirbelsäule auf die Unterlage drücken, sodass der Hohlraum zwischen Lendenwirbelsäule und Matte verschwindet.

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Weitere therapeutische Maßnahmen

Bei einem eingeklemmten Nerv ist es wichtig, sich so normal wie möglich weiterzubewegen und keine Schonhaltung einzunehmen. Damit das ohne Schmerzen möglich ist, verschreiben Ärzte Betroffenen schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente. Betroffenen hilft Elektrotherapie oder Wärmetherapie in Form von Wärmepflastern, -salben, -lampen oder Kirschkernkissen. Noch gezielter können Osteopathie, Akkupunktur, Massagen oder Manuelle-Therapie Muskelverspannungen lösen. Auch der Weg zum Chiropraktiker ist erfolgsversprechend: gezielte, sanfte Bewegungen erzielen eine Lockerung.  

Zusammenfassung

Bei einem eingeklemmten Nerven handelt es sich um eine schmerzhafte Erkrankung, bei der eine oder mehrere Nervenfasern gereizt sind. Am häufigsten treten die Symptome an der Wirbelsäule auf. Die Krankengymnastik hilft Betroffenen durch gezielte Übungen dabei, die Schmerzen zu lindern und ihre Beweglichkeit wiederherzustellen. Das Hauptprinzip besteht darin, angespannte Muskeln zu lockern und jene Muskelgruppen zu trainieren, die  den eingeklemmten Nerven entlasten.