Krankengymnastik nach Bobath

Das Konzept nach Bobath findet Verwendung in der Krankengymnastik, Rehabilitation sowie in der Pflege und bildet einen wichtigen Bereich in der Therapie von Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Mittels der Krankengymnastik nach Bobath werden Menschen behandelt, die Schädigungen im Gehirn und Rückenmark erlitten haben. Hierzu zählt der Schlaganfall (Ischämie im Gehirn), Hirnblutungen, Hirntumore, Entzündungen wie bei der Multiple Sklerose (MS) oder andere Defekte der Gehirn- und Nervenzellen. Im Gehirn werden bei schädigenden Ereignissen, wie bei einem Schlaganfall, Areale angegriffen und es kommt zum Zelluntergang (siehe auch: Physiotherapie bei einem Schlaganfall). Aufgrund dieses Ereignisses, kommt es zu Störungen des Bewegungsverhaltens und –kontrolle. Folgen sind eine verminderte Qualität von Bewegungen, durch spasitsche oder schlaffe Lähmungen oder einer verminderten Sensomotorik. Wenn bei einem Erwachsenen ein Defekt des zentralen Nervensystems auftritt, können diese untergegangenen Regionen nicht mehr wiederhergestellt werden. Allerdings können im Gehirn, die ausgeschalteten Funktionen wieder von anderen Arealen übernommen werden. Bestandteil der Krankengymnastik nach Bobath ist, das Wiederholen von Bewegungsabläufen. So manifestieren sich geschwächte Funktionen und bilden sich wieder aus.

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Die Krankengymnastik nach Bobath wird in den Alltag integriert und weniger als strammes Übungskonzept ausgeführt. Mit der Hilfe des Physiotherapeuten soll der Patient wieder in die alltäglichen Tätigkeiten herangeführt werden und diese so viel wie möglich selbstständig durchführen. Während der Handlungen wird die geschwächte Körperregion nicht vernachlässigt sondern miteingebunden. Wichtig ist hierbei die Wahrnehmung des Patienten. Er muss sich nicht nur seiner gesunden Seite bewusst sein, sondern auch seine betroffene Seite weiterhin benutzten. Betroffene Patienten verlieren bei einer Problematik des zentralen Nervensystems das Gefühl für die Lage ihres Körpers im Raum. Durch die Krankengymnastik nach Bobath soll die Fähigkeit gefördert werden, diese Partien zu halten und kontrolliert zu bewegen. Zur Kontrolle gehört ein bestimmter Muskeltonus, der sich an die Qualität der Bewegung anpasst. Das Zusammenspiel der Agonisten und Antagonisten der jeweiligen Muskelgruppen, ist wichtig für die Motorik des Körpers und für das Gleichgewicht. Erwähnt wird ausdrücklich, dass die Krankengymnastik nach Bobath nicht die zentrale Ursache beseitigt. Mittelpunkt der Krankengymnastik nach Bobath ist der Patient, der nach seinen Zielen und vorhandenen Möglichkeiten gefördert wird.

Krankengymnastik nach Bobath bei Babys

Das Gehirn von einem Baby/Kind muss eine Flut von Reizen aus der Umwelt verarbeiten und ist darum sehr leistungsfähig. So ist es wichtig dem Baby viele Dinge zu zeigen und ausprobieren zu lassen, damit es viele Einflüsse aus der Umwelt bekommt und sich immer mehr Areale im Gehirn entwickeln können. Beim Erwachsenen ist das Gehirn zwar immer noch im Lernprozess, jedoch sind die meisten Nervenbahnen schon ausgebaut. Am Anfang reicht es dem Baby/Säugling, seine Umwelt auf seinem Rücken liegend wahrzunehmen. Doch nach paar Monaten reicht dies nicht mehr aus und das Baby versucht durch Lagewechsel noch mehr Reize einzufangen. So beginnt das Baby sich von der Rückenlage, auf die Bauchlage zu rollen. Umso älter das Baby wird, desto mehr hat es das Bedürfnis, in die aufrechte Körperposition zu gehen, um seine Umwelt nicht nur zu sehen, sondern auch zu erfühlen und mit mehr Sinnen wahrzunehmen. Förderung von neuen Bewegungsabläufen, wie es die Inhalte der Krankengymnastik nach Bobath vorsieht, ist darum sehr wichtig. Voraussetzung ist hierbei eine gute Kontrolle der Haltung und Bewegung. So kommen wir wieder zum Konzept nach Bobath, welches diese Kontrolle fördert. Es gibt Kinder/Babys, die Schwächen in der Motorik und Sensorik aufweisen. Dies muss nicht unbedingt eine zentrale Ursache haben und kann auch vorübergehend sein. Mit der Krankengymnastik nach Bobath kann gegen diese Schwächen gearbeitet werden.

Krankengymnastik nach Bobath bei MS

Die Multiple Sklerose (MS) unterliegt den Autoimmunerkrankungen und befällt das zentrale Nervensystem. Bei der MS kommt es zu Entzündungen an den Myelinscheiden der Nervenzellen und einer Entmarkung. Die Nervenbahngeschwindigkeit wird durch die Zerstörung der Myelinscheiden erhäblich verlangsamt und es kommt wiederum zu einer gestörten Sensomotorik. Patienten, welche unter MS leiden, verlieren das Gefühl für ihren Körper im Raum und das Gleichgewicht. Bewegungen werden geschwächt, sind nicht mehr fließend oder führen nicht mehr zum Ziel. Dadurch wird die Selbstständigkeit erheblich eingeschränkt und alltägliche Bewegungsabläufe verlieren sich. Oft sind junge Erwachsene von MS betroffen, die mitten im Leben stehen und sich oder andere versorgen müssen. Durch die Krankengymnastik nach Bobath werden Alltagsaktivitäten in den Tagesablauf integriert. Mittels der Wiederholungen der Abläufe, sollen die Patienten sicherer werden und diese verlorenen Funktionen wieder schulen. So kommt es zum Kraftaufbau der Muskulatur und einer höheren Stabilität. Der Körper bekommt durch den Wechsel der Ausgangsstellungen neue Reize und die Sensoren bekommen neuen Imput, um sich mit ihrer Umwelt mehr auseinander zu setzten

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Krankengymnastik nach Bobath: Kosten

Die Krankenkassen können für die Kosten einer Krankengymnastik nach Bobath aufkommen. Allerdings muss das Rezept der Krankengymnastik mit der Ergänzung ZNS angeordnet sein. Dies geschieht unter ärztlicher Anordnung und ist auf neurologischer Grundlage angelegt. Hinzu kommen noch Zusatzleistungen wie Rezeptgebühren oder ein Eigenanteil. Die Kosten von Rezeptgebühren liegen immer bei 10 € pro Rezept. Bei den Kosten des Eigenanteil kommt es drauf an, wie der Patient versichert ist. Die Kosten variieren nach Versicherung und Zeitpunkt, da sich die regulären Preise auch ändern können. Bei bestimmten Voraussetzungen gibt es Personengruppen, die von allen Gebühren/Kosten befreit werden können.

PNF

Die Propriozeptive Neuromuskuläre Facilitation (PNF) ist ein Behandlungkonzept und wurde in den 40er Jahren von Dr. Herman Kabat geschaffen und später von der Physiotherapeutin Maggi Knott weiterentwickelt. Unser Körper besitzt in Gelenken, Sehnen und Muskeln gewisse Sensoren (Propriozeptoren), die das Lageempfinden des Körpers aufnehmen. Durch Techniken aus dem PNF, werden diese angesteuert und stimuliert. So bekommt das Gehirn ein Gefühl für die Lage der Körperabschnitte im Raum, deren Bewegungen und ihre benötigte Kraft. Genutzt werden hierfür Wiederstände, Zug und Druck auf Gelenke, Dehnungen und bestimmte Bewegungsmuster. Um die Rezeptoren in der Haut, den Augen und dem Ohr zu reizen, werden zusätzlich taktile, akustische und visuelle Reize in der PNF angewandt. In diesem Fall setzt der Physiotherapeut Kommandos, Berührungen oder räumliche Orientierungen ein. Alle Bewegungsabläufe im PNF verlaufen diagonal und sind mit einer Aktivität aus dem Alltag verbunden. Mit den diagonalen Bewegungsmustern (Pattern), werden verlorene Funktionen wieder erlernt und in den Tagesablauf integriert. Techniken aus dem PNF können für die Krankengymnastik nach Bobath verwendet werden, um einzelne Aktivitäten nochmal zu üben.

Umfassende Informationen zu diesem Thema finden sie in dem Artikel Propriozeptive Neuromuskuläre Faszilitation

Krankengymnastik nach Bobath vs. Voita

Die Behandlung/Krankengymnastik nach Bobath und nach Voita, eignen sich beide als Therapie bei zentralen Erkrankungen. Allerdings haben sie verschiedene Behandlungsansätze und Aktivierungspunkte. Die Behandlung nach Voita, ist immer eine hervorragende Basisbehandlung. Hingegen die Krankengymnastik nach Bobath als eine übergreifende Therapie betrachtet wird. In der Krankengymnastik nach Bobath, werden vollständige Aktivitäten aus dem Alltag als Übung genommen. Bei Voita wird das Fundament, für die Ausführung von Tätigkeiten geschaffen. Bewegungen werden hierbei durch Reflexe ausgelöst, die in uns verankert sind. Auch bei Schädigungen des zentralen Nervensystems, können diese aktiviert werden. An unserem Körper gibt es Zonen, auf die Druck gegeben wird und dadurch der Körper mit einer Bewegung reagiert. Alltägliche Bewegungsmuster werden durch automatische Mechanismen und Wiederholungen wieder im zentralen Nervensystem hergestellt. Weil nur einzelne Bewegungsabläufe dem Patienten bei der Behandlung nach Voita gelehrt werden und diese automatisch passieren, werden unerwünschte Mitbewegungen in der Aktivität mitgeschult.

Übungen

Nicht jede Übung ist für jeden neurologischen Patienten geeignet. Je nach Schwere der Erkrankung und Beweglichkeit seines Körpers, muss man zu geeigneten Übungen greifen. Immer wieder ist das Gleichgewicht wichtig, um in allen Lagen stabil und sicher zu sein. Die Schwerkraft, eine geringere Unterstützungsfläche oder Wiederstände dürfen den Menschen nicht daran hintern, eine aufgerichtete Körperhaltung einnehmen zu dürfen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die posturale Kontrolle in den Übungen zu trainieren. Im Bobath-Konzept gibt es Übungen wie den Klavierspieler, der diese posturale Kontrolle ansteuert.

Klavierspieler:
Ausgangsposition ist der Sitz auf einem Stuhl oder einem Bett. Jetzt bekommt der Patient den Auftrag, ein imaginäres Klavier zu spielen. Allerdings ist die Tastatur sehr breit und er muss versuchen, bis zum Ende der Tasten zu kommen. So tippt er sich bis zum Rand durch und neigt sich mit dem Rumpf stark zur Seite. Je nachdem wie weit der Patient kommt, hebt er die Hälfte des Gesäßes an. Mit diesem Anheben der Gesäßhälfte, verkleinert sich die unterstützende Fläche und der Körper hat weniger Fixpunkte auf der Liege, wo er sich halten kann. Dann wechselt er die Seite und tippt sich mit den Fingern zur anderen Seite hin durch.

Lifting:
Wenn der Patient schon im Sitz ist, kann er eine weitere Übung ausführen. Diese Übung kommt aus dem Konzept des PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Facilitation) und wird Lifting genannt. Sie dient zur Förderung der Aufrichtung und Kräftigung des Rumpfes. Es gibt einen führenden Arm und einen folgenden Arm. Die Hand des folgenden Armes, hält das Handgelenk des führenden Armes fest. Hände, Kopf und Rumpf des Patienten sind zur Hüfte geneigt, die gegenüber der führenden Schulter liegt. Der Physiotherapeut steht hinter dem Patienten und legt einmal eine Hand auf den Hinterkopf des Patienten und auf die führende Hand. Schließlich bekommt der Patient den Auftrag, als Erstes die Finger Richtung Decke zu spreizen und den führenden Arm zur führenden Schulter zu bewegen. Der Kopf dreht mit und schaut der führende Hand hinterher. Währenddessen setzt der Physiotherapeut einen Wiederstand und die Hand des Patienten dreht sich bei der Bewegung mit. Mit dem Hochziehen der führenden Hand, Richtung führenden Schulter, entsteht eine diagonale Bewegung aller mitwirkender Körperabschnitte und Aufrichtung des Rumpfes und des Kopfes. Durch Wiederstände des Physiotherapeut wird die Muskulatur gekräftigt. Auch gibt der Physiotherapeut noch zusätzliche Dehnungen (Initial Stretch) hinzu.

Übung 3:
In der weiteren Übung geht der Patient vom Sitz in den Stand und rückt dafür etwas vor, so dass er fest mit den Fersen auf dem Boden aufliegt. Beide Beine stehen nicht zu eng einanander und sind hüftbreit voneinander entfernt. Der Physiotherapeut sitzt neben dem Patienten auf seiner schwächeren Seite und der Patient stützt seinen betroffenen Arm auf der Handfläche des Physiotherapeut ab. Der andere Arm des Physiotherapeut umgreift das hintere Becken des Patienten. Das geschwächte Bein, wird vom Physiotherapeut fixiert, in dem er sein eigenes Bein vor dem Bein des Patienten stellt und ihn daran hindert, beim Aufstehen nach vorne zu knicken. So wird dieses in die Aufrichtung positioniert. Dann soll der Patient seinen Oberkörper nach vorne neigen und aufstehen. Die Neigung des Rumpfes nach Vorne ist wichtig, damit die Kraft in die gewünschte Bewegungsrichtung gelenkt wird. Das Becken wird vom Arm des Physiotherapeut unterstützt und nach vorne/oben gelenkt. Für diese Übung muss eine gewisse Stabilität im Stand gewährleistet sein.

Zusammenfassung

Zwar könne die geschädigten Areale im Gehirn, wie es z.B. der Fall bei einem Schlaganfall ist, nicht mehr regeneriert werden, jedoch können die gesunden und intakten Areale im Gehirn so gut trainiert werden, dass sie die Funktionen und Aufgaben der geschädigten Nerven im Gehirn weitgehend übernehmen. Der Körper sollte somit die betroffenen Abschnitte als auch die Intakten trainieren. Bei Babys und Kleinkindern ist dies besonders gut zu erreichen. Genau dies beinhaltet die Krankengymnastik nach Bobath durch ständiges Wiederholen einer Bewegung. Wichtigstes Ziel hierbei ist die Sicherung der Lebensqualität, besonders im Alltag.