Krankengymnastik - Morbus Scheuermann

Männer sind häufiger vom Morbus Scheuermann betroffen als Frauen. Warum es zu der Erkrankung kommt, ist nicht vollständig geklärt. Erbliche Faktoren wie auch eine Überbelastung (nach vorne gebeugtes Sitzen, Stauchungsbelastungen etc.) können die Entstehung der Krankheit begünstigen. Die Therapie, auch schon im Jugendalter, ist essentiell um Spätfolgen zu verhindern oder zu minimieren.

Übungen

Bei der Krankengymnastik vom Morbus Scheuermann ist zuallererst zu beachten, dass es in der Regel um die Therapie von jungen Menschen geht. Motivation, psychische Aspekte und Aufklärung über Folgen müssen also in der Therapie berücksichtigt werden. Da es sich bei Morbus Scheuermann um eine Wachstumsstörung handelt, ist zudem zu beachten das nach Abschluss des Wachstums die knöcherne Fehlhaltung nicht mehr aufzuheben ist. Durch eine gezielte Verbesserung von Haltung und Muskulatur können aber weitere Fehlbelastungen verhindert werden. währen der Krankengymnastik ist es wichtig die Mobilität der Wirbelsäule weiterhin zu erhalten. Hierzu bieten sich Übungen an, die die aufrichtende Rückenmuskulatur kräftigen. Die Muskulatur zwischen den Schulterblättern (Rhomboiden) ziehen diese zusammen und sorgen so ebenfalls für eine verbesserte Haltung im Schulter-Nackenbereich. Diese Partie kann beispielsweise durch Ruderbewegungen (mit Theraband oder am Gerät) trainiert werden. Gymnastische Übungen auf der Matte wie den Adlerschwüngen bieten sich ebenfalls an. Es wird hier über die Arme trainiert.

Rudern stehend mit dem Theraband
Das Theraband wird um einen Türgriff oder einem Fenstergriff befestigt. Die beiden Enden werden in jeweils einer Hand gehalten. In hüftbreiter Stellung wird das Band unter Spannung gebracht. Beide Ellenbogen sind etwas unterhalb Schulterhöhe und im Ellenbogengelenk ca. 90° gebeugt. Die Schulterblätter ziehen sich nun zusammen, als ob sie einen Stift zwischen ihren Schulterblättern fixieren würden. Gleichzeitig ziehen beide Arme zur Brust und bringen dadurch mehr Zug auf das Theraband. danach lassen sie sich wieder langsam in die Ausgangsposition bringen. Führen sie diese Übung 3 x mit jeweils 15 Whl. durch.

Adlerschwünge auf der Matte
Sie liegen in Bauchlage auf einer Matte. Die Fußspitzen bleiben während der Übung konstant am Boden. Die Blickrichtung ist zum Boden gerichtet und die Arme seitlich mit gebeugtem Ellenbogengelenk am Körper angehoben, als ob sie ein U mit ihren Armen darstellen wollen. Während sie die Ellenbogen zu ihrem Körper ziehen, richten sie sich mit dem Oberkörper einige cm vom Boden auf. Das Brustbein sollte keinen Bodenkontakt mehr haben. Die Ellenbogen werden wieder in die U-halte gebracht und der Oberkörper abgesenkt. Der Blick ist dabei weiterhin zum Boden gerichtet. Auch diese Übung führen sie 3 x mit jeweils 15 Whl. durch.

Seitheben stehend
Die Aufrichtung der Brustwirbelsäule (Musculus erector spinae) kann auch gut über die Arme trainiert werden. Die locker gestreckten Arme werden nach oben außen geführt, die Schulterblätter ziehen sich zusammen, der Rücken richtet sich auf. Schwieriger wird diese Übung wenn sie zum Beispiel aus der Bauchlage oder auf einem Gymnastikball ausgeführt wird. Es gibt eine Vielzahl von Übungen zur Aufrichtung. Es ist wichtig die Therapie für die Jugendlichen spannend zu halten, das Übungsprogramm sollte also hin und wieder verändert werden, nicht zu letzt um auch neue Reize zu setzen.

In folgenden Artikeln finden Sie weitere Übungen gegen ein Rundrücken:

Neben der Kräftigung der Rückenmuskulatur ist die Dehnung der Brustmuskulatur wichtig. Diese zieht die Schultern und Arme nach vorne und fördert somit die Entstehung des Rundrückens. Da viele Jugendliche besonders durch die Arbeit am Schreibtisch und Computer eine vorgebeugte Haltung haben, gilt es hier die eventuell verkürzte Muskulatur zu dehnen. Drehdehnnlagen bieten sich an.

Dehnübung im Stand
Ein Arm wird auf Schulterhöhe an die Wand abgelegt, der Ellenbogen ist gebeugt, während der Unterarm fest an der Wand bleibt, dreht man nun den Oberkörper vom Arm weg. Ein Zug ist in der vorderen Schulter der Seite und der Brust zu spüren. Die Dehnung sollte 20-30 sec. gehalten werden.

Auch mobilisierende Übungen sind wichtig. Hier ist der Phantasie keine Grenze gesetzt, Die Wirbelsäule sollt ein alle Bewegungsrichtungen beweglich werden und bleiben. Eine Vielzahl von Mobilisationsübungen für die Wirbelsäule erhalten sie in dem Artikel Krankengymnastik Mobilisationsübungen.

Die Jugendlichen sollten Sportarten betreiben, bei denen sich viel aktiv bewegt wird und nicht nur vor dem Körper gearbeitet wird ( z.B. Schwimmsport). Es handelt sich um eine manifestierte Deformität der Wirbelsäule. Die Übungen sind folglich nicht nur im Jugendalter durchzuführen sondern sollten in den Alltag der Patienten integriert werden. Besonders mit zunehmendem Alter sollte die Beweglichkeit erhalten werden!

Neben dem Erhalt der Mobilität, der Kräftigung und Dehnung können auch entspannende Übungen und Techniken angewendet werden. Durch die dauerhafte Fehlhaltung kommt es häufig zu schmerzhaften Verspannungen in der Rückenmuskulatur. Möglichkeiten hierfür bietet das FaszientrainingAutogenes Training und die Progressive Muskelentspannung. Auch über ein Kinesiotape können entspannende Wirkungen erzielt werden.  

Bei starken Fehlhaltungen sollte dringend auch die Atmung in das Übungsprogramm mit einbezogen werden, da die Fehlhaltung der Brustwirbelsäule die Stellung der Rippen stark beeinflusst. Yoga und Pilates sind Trainingskonzepte, die die Mobilität, Kräftigung und Dehnung ebenso wie die Atmung berücksichtigen und bieten daher einige gute Übungen für die Therapie bei Morbus Scheuermann an. Mobilitätsübungen finden sie in dem Artikel Krankengymnastik Mobilitätsübungen.

Ist die Lendenwirbelsäule betroffen, sollte der Rückenstrecker in diesem Bereich trainiert werden. Die Bauchmuskulatur sollte eher gedehnt werden, die sie durch die Kippung des Beckens nach hinten, die Krümmung der Lendenwirbelsäule verstärken würde. Beim Hohlrundrücken hingegen ist es besonders wichtig, auch die Bauchmuskulatur zu trainieren um dem vermehrten Hohlkreuz entgegen zu wirken. Übungen dazu finden sie in dem Artikel Übungen gegen ein Hohlkreuz.

Weitere Therapeutische Maßnahmen

Neben dem Übungsprogramm, welches wichtig bei der physiotherapeutischen Behandlung vom Morbus Scheuermann ist, können auch detonisierende Techniken angewendet werden um die verspannte Muskulatur zu lockern. Durch die ständige Fehlhaltung werden bestimmte Muskelgruppen schlechter versorgt und neigen zu häufigen schmerzhaften Verspannungen. Verklebtes oder verkürztes Gewebe kann durch manuelle Weichteilbehandlungen gelöst werden. Wärmeanwendung kann bei starken Verspannungen schmerzlindernd und entspannend wirken. Verkürzte Muskeln können auch passiv gedehnt werden. Bei starken Fehlhaltungen, die auch den Brustkorb in seiner Beweglichkeit einschränken, sollte während der physiotherapeutische Behandlung auch Atemtherapie durchgeführt werden um die Rippen zu mobilisieren und die Thoraxbeweglichkeit zu erhalten. In dem Artikel Krankengymnastik bei Asthma erhalten sie einige gute Atemübungen. Eine Haltungskorrektur und die Steigerung der Wahrnehmung der eigenen Haltung im Alltag ist für Patienten mit Morbus Scheuermann essentiell! Übungen dazu finden sie in dem Artikel Koordinations- und Gleichgewichtsübungen. Bei starken Schmerzen kann medikamentös eingegriffen werden.

Korsett

Ein Korsett kann bei besonders starken Wachstumsstörungen nötig und sinnvoll sein um die extreme Fehlhaltung vom Morbus Scheuermann zu vermeiden. Das Korsett wird um den Oberkörper gelegt und stützt die aufrechte physiologische Haltung der Wirbelsäule. Anfangs sollte es fast den ganzen Tag und auch nachts getragen werden, später kann die Zeit verkürzt werden, bis das Korsett vollständig abgelegt werden kann. Wichtig ist zu bedenken, dass das Korsett die Haltearbeit der Muskulatur übernimmt und diese folglich weniger Arbeit leisten muss. Es ist essentiell, nach Abschluss der Korsetttherapie die stabilisierende Rücken und Bauchmuskulatur wieder zu kräftigen, da diese nun wieder allein für die Haltung des Patienten verantwortlich ist. Obwohl die Korsetttherapie gute Erfolge verspricht, ist sie bei den Patienten oft nicht beliebt. Gerade im Jugendalter ist das offensichtliche Tragen eines Korsetts schwierig, da es eine psychische Belastung darstellt und zur sozialen Isolation führen kann.

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Röntgen

Röntgen ist das diagnostische Mittel der Wahl beim Morbus Scheuermann. Es können zur genaueren Beurteilung auch ein MRT und ein CT herangezogen werden. Die Fehlbildung der Wirbelkörper kann im Röntgenbild gut gesehen werden. Besonders in der seitlichen Betrachtung der Wirbelsäule kann über die Krankheit geurteilt werden. Es können verschiedene Stadien eingeteilt werden. Im ersten Stadium sind die Wachstumsstörungen nur marginal sichtbar, im folgenden zweiten Stadium kann man deutliche Veränderungen sehen (z.B. Schmorl-Körperchen: als Folgen des veränderten Wachstums bricht Bandscheibenmaterial in die Wirbelkörper ein ). Im dritten Stadium sieht man die entstandenen Keilwirbel. Im Röntgenbild kann ein Winkel bestimmt werden, der so genannte Cobb Winkel, der Aussage über die Stärke der Deformität trifft und wichtig für die Verlaufskontrolle und Planung der Therapie ist.

OP

Die operative Behandlung des Morbus Scheuermann findet nur sehr selten bei starken Krümmungsgraden statt. Ästhetische Gründe, starke chronische Schmerzen sowie Einschränkungen der Atmung können ursächlich sein. Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Operationsmöglichkeiten, die individuell mit dem Patienten besprochen werden. In der Regel kommt es bei der Operation zu einer Aufrichtung der Wirbelsäule und der Fixierung der Wirbelsäule durch Schrauben und Platten. Im Anschluss an die so genannte Aufrichtungsosteotomie kann es nötig sein die Wirbelsäule durch ein Korsett für einige Wochen zu stabilisieren. Die anschließende physioherapeutische Behandlung zielt darauf hin, die Muskulatur im umliegenden Bereich zu trainieren und die Beweglichkeit in den nicht fixierten Wirbelsäulenabschnitten zu erhalten.

Was ist Morbus Scheuermann?

Morbus Scheuermann ist eine sehr häufige Erkrankung der Wirbelsäule. Sie tritt bereits im Jugendalter auf. Im Gegensatz zu dem Morbus Bechterew handelt es sich beim Morbus Scheuermann um eine Wachstumsstörung der Wirbelkörper, was zur Ausbildung von so genannten Keilwirbel führen kann. Durch die veränderte Form der Wirbelkörper kommt es zu einer typischen Fehlhaltung. Tritt der Morbus Scheuermann in der Brustwirbelsäule (BWS) auf, was die häufigste Form ist, entsteht ein Rundrücken. In Verbindung mit einer kompensatorischen Fehlhaltung der Lendenwirbelsäule kann auch ein Hohlrundrücken auftreten. Betrifft der Morbus Scheuermann die Lendenwirbelsäule, kommt es durch die Keilwirbelbildung zu einer Aufhebung des natürlichen Hohlkreuzes (Lordose) und zu einer Abflachung der Lendenwirbelsäule.

Durch die Fehlhaltung der Wirbelsäule kann es zu Bewegungseinschränkungen kommen, Nerven können durch unphyisiologische Belastung und Komprimierung geschädigt werden und die Atmung kann durch die Einengung des Brustkorbs eingeschränkt sein. Die Krankengymnastik beim Morbus Scheuermann findet in der Regel konservativ statt. Eine Früherkennung begünstigt den Therapieerfolg. Hilfsmittel wie das Korsett können bei schweren Fällen in Frage kommen, eine Operation wird möglichst selten durchgeführt.

Zusammenfassung

Morbus Scheuermann ist eine im Jugendalter auftretende Wachstumsstörung der Wirbelsäule die meist zur Ausbildung eines Rundrückens führt. Selten ist die Lendenwirbelsäule betroffen, ist dies der Fall kommt es zu einer verminderten Lendenwirbelsäulenlordose (Hohlkreuz). Durch die Physiotherapie sollen die deformierten Wirbel entlastet werden. Dies geschieht durch Kräftigung der aufrichtenden Rückenmuskulatur und Dehnung der vorderen Brustmuskulatur. Sportarten wie Schwimmen unterstützen den Erhalt der Beweglichkeit beim Morbus Scheuermann. Bei starken Deformitäten, die frühzeitig erkannt werden, kann die Therapie mittels Korsett sinnvoll sein um starke Fehlhaltungen zu vermeiden. Eine Operation wird nur selten bei schwerwiegenden Fehlhaltungen mit ästhetischen Folgen, chronischen Schmerzen oder Einschränkungen der Atemfunktion durchgeführt. Patienten mit Morbus Scheuermann sollten ihre Haltung im Alltag und auch die Belastung der Wirbelsäule ihr Leben lang kontrollieren um eine Verschlechterung der Statik der Wirbelsäule zu vermeiden.